Guter Zucker – schlechter Zucker?!?

In einer Facebookgruppe über zuckerfreie Ernährung las ich neulich die Frage, was denn nun guter Zucker und was böser Zucker sei. Die Antworten auf diese Frage waren sehr unterschiedlich, eine eindeutige Definition von gutem oder schlechtem Zucker scheint es nicht zu geben. Ich möchte hier der Frage auf den Grund gehen, ob es guten und bösen Zucker gibt und worin er sich unterscheidet.

Was ist Zucker überhaupt?

Chemisch betrachtet sind Zucker Saccharide. Man unterscheidet zwischen Mono- Di- und Polysacchariden. Monosaccharide, auch Einfachzucker genannt, bestehen aus einem Molekül, Disaccharide, auch Zweifachzucker genannt, bestehen aus zwei Molekülen. Reiht man mehr Moleküle aneinander, erhält man Polysaacharide. Umso kürzer die Molekülkette, desto süßer schmeckt der Stoff.

Zu den Einfachzuckern zählt Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker). Diese haben die stärkste Süßkraft. Zweifachzucker wie Saacharose (Rohr- und Rübenzucker) oder Laktose (Milchzucker) sind etwas weniger süß. Mehrfachzucker wie Stärke schmecken gar nicht süß.

Wie wird Zucker vom Körper aufgenommen?

Von unserem Körper kann ausschließlich Glucose (Traubenzucker) über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Von dort geht die Glucose ins Blut über („Blutzucker“) und kann von unseren Zellen als Energieträger genutzt werden. Da der Körper aber natürlich auch die anderen Saacharide nutzen möchte, spaltet er sie durch Enzyme auf, die im Speichel und im Darm vorkommen.

Du kannst diese Funktionsweise ganz einfach selbst erfahren: Nehme ein stärkehaltiges Lebensmittel, wie z.B. Brot in den Mund und kaue bewusst lange darauf herum. Du wirst merken, wie es mit der Zeit süßer wird.

Wenn nun aber alle Saacharide zu Glucose gespalten werden, macht es überhaupt einen Unterschied, ob man Mehrfach-, Zweifach- oder Einfachzucker isst?

Diese Frage lässt sich sowohl mit Ja als auch mit Nein beantworten. Zuerst zum Nein: Es ist in der Tat so, dass Mono-, Di- und Polysaacharide nahezu identische Kalorien haben. Da durch die Enzyme im Verdauungstrakt aus allen Saachariden Glucose entsteht, welche dann durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf aufgenommen werden.

Aber: Umso kürzer die Molekülkette, desto schneller wird der Zucker in den Körper aufgenommen. Essen wir Glucose kann diese quasi sofort durch die Darmschleimhaut transportiert werden. Längere Molekülketten müssen erst durch Enzyme aufgespalten werden und dieser Prozess nimmt Zeit in Anspruch. Der Anstieg des Blutzuckerspiegels erfolgt also bei Einfach- oder Zweifachzuckern wesentlich schneller als bei Stärke.

Auf den ansteigenden Blutzucker reagiert die Bauspeicheldrüse mit Ausschüttung von Insulin, dem Hormon, dass dafür verantwortlich ist, dass die Glucose aus dem Blut in die Zellen aufgenommen wird und sich der Blutzuckerspiegel wieder normalisiert. Umso schneller der Blutzucker ansteigt, desto höher ist die Ausschüttung von Insulin. Dies führt zum einen zu einer Belastung der Bauchspeicheldrüse, zum anderen kann ein ständig hoher Insulinspiegel zu einer Insulinresistenz führen. Das bedeutet, dass die Zellen nicht mehr so gut auf das Insulin reagieren und mehr Insulin ausgeschüttet werden muss.

Sind also alle Einfach- und Zweifachzucker schlecht?

Die chemische Struktur der Glucose und Fructose in Obst ist identisch mit der Struktur isolierter Glucose und Fructose, die man z.B. als Pulver kaufen kann. Für die Verstoffwechselung im Körper ist aber nicht nur die Molekülstruktur entscheidend sondern in welcher Umgebung der Zucker vorkommt.

Kommt ein isoliertes Glucosemolekül in den Darm, kann es im Darm angekommen ohne weiteres die Darmschleimhaut passieren. Kommt dieses Glucosemolekül in einem Apfelschnitz, muss es vom Körper erst „befreit“ werden. Dafür wird der Apfel zuerst beim Kauen zerkleinert und von den Enzymen im Speichel vorverdaut. Die Magensäure und die Enzyme und Bakterien im Darm zerlegen ihn weiter. Ist die Glucose dann frei gesetzt, wird sie wie das isolierte Glucosemolekül aufgenommen. Bis es soweit ist, dauert es allerdings länger als bei isolierter Glucose. Auch kann nicht die ganze im Apfel enthaltene Glucose auf einem aufgenommen werden, sondern die Aufnahme erstreckt sich über einen längeren Zeitraum als bei isolierter Glucose. So wirkt sich z.B. auch fein gemahlenes Vollkornmehl stärker auf den Blutzuckerspiegel aus als ganze Körner. (Mehr Informationen dazu findest du hier: www.montignac.com)

Zucker in der Natur

Bei der Antwort auf die Frage, welcher Zucker gut und welcher Zucker schlecht für uns ist, hilft für mich der Blick zurück in die Vergangenheit. In der frühen Menschheitsgeschichte kam Zucker niemals isoliert vor. Zuckerquellen waren z.B. Beeren. Der süße Geschmack signalisierte den Menschen, dass hier ein gut verträgliches, kalorienreiches Nahrungsmittel auf sie wartete.

Unser Organismus ist optimal darauf eingestellt, diese pflanzliche Lebensmittel mit geringem Zuckergehalt zu verdauen und für sich zu nutzen. In der Neuzeit hat der Mensch verschiedene Methoden entwickelt, um den Zuckergehalt von Lebensmittel zu steigern und den Zucker von seinen Begleitstoffen (z.B. Ballaststoffe wie Pektin im Apfel) zu befreien um einen möglichst reinen Süß-Geschmack zu erhalten. Rübenzucker oder Rohrzucker sind Paradebeispiele wie man die natürlichen Lebensmittel Zuckerrübe und Zuckerrohr so bearbeiten kann, dass am Ende der reine Kristallzucker übrig bleibt.

Erhöhung des Zuckergehaltes in Pflanzen

Der Zuckergehalt von Pflanzen kann durch gezielte Züchtung gesteigert. Ein beindruckendes Beispiel dafür ist die Zuckerrübe, deren Zuckergehalt im 18. Jahrhunderts mehr als verdoppelt wurde. Erst dadurch war es überhaupt möglich, Rübenzucker aus Zuckerrüben im großen Stil zu gewinnen (Quelle: biooekonomie.de).

Neben der Züchtung kann der Zuckergehalt in zuckerhaltigen Pflanzen durch Entzug von Wasser erhöht werden. Dies geschieht über Trocknung, z.b. von Trauben, die getrocknet Rosinen heißen, oder durch verdampfen / eindicken von Flüssigkeiten. Ahornsaft wird z.B. auf 1/40 seiner ursprünglichen Menge reduziert, bis der handelsüblichen Ahornsirup entsteht.

Reduzierung von Begleitstoffen

Beim Trocknen von Früchten oder Eingedickten von Säften steigt aber nicht nur der Gehalt von Zucker sondern auch der Gehalt der in den Pflanzen vorkommenden „Begleitstoffen“ wie Geschmacksstoffe und Ballaststoffe. Wenn diese nicht erwünscht sind, da sie sich auf Geschmack und Konsistenz des Endproduktes auswirken, werden sie entfernt. Dafür wird die Pflanze zunächst zerkleinert und ausgepresst oder ausgekocht, anschließend wird der Saft gefiltert.

Zwei Beispiele:

Wie das in der der Praxis aussieht und wie sich die Verarbeitungsschritte auf den Zuckergehalt auswirken, möchte ich dir an zwei Beispielen zeigen.

Beispiel 1: Zuckergehalt von Apfel/ Apfelprodukten

Frischer Apfel: Zuckergehalt ca. 10% (Ballaststoffe 2,4%)
Apfelsaft: Zuckergehalt ca 11% (Ballaststoffe 0,2%)
getrockneter Apfel: Zuckergehalt ca. 55% (Ballaststoffe 11%)
Apfeldicksaft: Zuckergehalt ca. 68% (Ballaststoffe 0%)

Beispiel 2: Zuckerrüben/ Zuckerrübenprodukten

frische Zuckerrübe: Zuckergehalt ca 18% (Ballaststoffe 2%)
Zuckerrübensirup: Zuckergehalt ca 67% (Ballaststoffe 5,4%)
Rübenzucker: Zuckergehalt (Ballaststoffe 0%)

Mehr Informationen zu Zuckeralternativen wie Dicksaft oder Trockenfrüchten findest du hier.

Fazit: Was ist guter Zucker, was ist schlechter Zucker?

Sehr lange Zeit war für unseren Körper Zucker nur in Form von frischen Früchten verfügbar. Durch verschiedene Methoden ist es uns gelungen, Pflanzen so zu verarbeiten, dass Zucker in höherer Konzentration und mit weniger Begleitstoffen vorliegt, bis hin zu völlig isolierten Zuckern. Unser Körper ist in der Lage, diese zu verdauen und zu nutzen. Dass ihm das nicht gut tut und Zuckerkonsum in großen Mengen negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat ist unumstritten.

Eine Unterteilung in guten Zucker und schlechten Zucker ist meiner Meinung nach schwierig. Statt in „gut“ und „schlecht“ einzuteilen, frage ich lieber was „besser“ ist. Besser ist für mich in diesem Fall, weniger stark verarbeitet: Frisches Obst ist besser als getrocknetes Obst, getrocknetes besser als Dicksaft und Dicksaft besser als Kristallzucker.

Neben der Form, in der der Zucker vorliegt, ist für mich aber auch entscheidend, wie hoch der Zuckergehalt am Ende ist: Kuchen, der durch eine große Menge Datteln sehr süß ist, halte ich nicht für gesünder als Kuchen mit Agavendicksaft, insgesamt aber weniger Zucker enthält.

Insgesamt suche ich die Mitte zwischen gutem Geschmack und möglichst natürlichem Zuckergehalt.

Noch ein kurzes Wort zu Xylit und Co

Für manche Leute ist Zucker in jeglicher Form, egal ob Kristallzucker, getrocknete Früchte oder Dicksaft, immer gleich Zucker und somit ungesund. Sie weichen lieber auf Zuckeralkohole wie Xylit oder Erythrit aus. Zuckeralkohole kommen in sehr geringer Konzentration auch in reifen Früchten vor. Das Xylit, was wir im Laden kaufen können, wird allerdings in der Regel aus Holz (z.B. Birkenholz, daher der Name Birkenzucker) in einem aufwendigen Verfahren hergestellt. Warum die Verwendung von Xylit für mich keine Option ist, kannst du hier lesen.

Jetzt interessiert mich: Wie siehst du das? Gibt es für dich guten und schlechten Zucker? Was für Alternativen verwendest du? Ich freue mich über deinen Kommentar.

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